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Kapitel 1
Athanasia
Es ist noch dunkel, als ich leise durch die verwinkelten Gassen des Dorfes schleiche. Meine Schritte sind auf dem Boden kaum zu hören und in meinem dunklen Gewand kann man mich nur aus der Nähe erkennen.
Ich bleibe dicht an den Wänden, die ohne Tageslicht genauso schwarz erscheinen wie mein Umhang. In der einen Hand halte ich einen geflochtenen Korb, in der anderen meine kleine Sichel.
Niemand sieht mich, wie ich vor der Dämmerung das Dorf verlasse und im angrenzenden Wald verschwinde. Erst als ich vom Dorf aus nicht mehr zu sehen bin, atme ich auf. Die Luft ist kühl und frisch, als sie durch meine Lungen strömt, und ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen.
Ich schließe die Augen und achte nur noch auf meine Umgebung. Vögel, deren Namen ich nicht kenne, zwitschern bereits und ihr Gesang bildet zusammen mit dem Rauschen der Bäume ein ganz eigenes Lied. Ich habe es immer genossen, in der Natur zu sein. Mehr als unter Menschen. Die Leute im Dorf misstrauen mir. Würden sie mich im Wald Kräuter sammeln oder meditieren sehen, hielten sie mich bestimmt für eine Hexe.
Ich muss zurück sein, bevor das Dorf zum Leben erwacht, also öffne ich widerwillig die Augen und gehe los. Der Wollrock meines Kleides gleitet über das noch feuchte Gras, und schon bald ist der Saum nass. Der Tau auf den Blättern hinterlässt kleine Tropfen auf meinen Ärmeln, als sie mich streifen. Ich seufze und ziehe den Umhang enger. Es ist zwar schon Frühling und tagsüber angenehm warm, aber nachts wird es wieder kalt. Ich stopfe meine Locken in den Stoff und ziehe die Kapzue über meinen Kopf. Es ist besser, wenn man meine Haare nicht direkt sieht. Ich bin die Einzige in der Gegend, die so eine unnatürliche Haarfarbe hat. Ein silbergrauer Ton. Dunkler als Silber, eher ein Ascheton, aber hell genug, um aufzufallen. In meinem Alter ist so eine Haarfarbe ungewöhnlich, und das allein macht die Leute schon misstrauisch genug. Abgesehen davon habe ich graue Augen, die Farbe von Dämonenaugen, wenn man den Gerüchten glauben darf.
Mit schnellen Schritten gehe ich weiter durch den Wald und erreiche bald eine Lichtung. Genau hier wollte ich hin. Zum Glück hat mich mein Orientierungssinn nicht im Stich gelassen. Die Lichtung ist voller verschiedenster Kräutern und selbst wenn ich Stunden hier verbringe, könnte ich sie nicht alle sammeln. Aber heute bin ich wegen etwas Eisenkraut hier. Seit einiger Zeit habe ich Probleme mit Kopfschmerzen und kann mich abends nicht entspannen, geschweige denn einschlafen. Ein Tee aus Eisenkraut hat mir früher immer geholfen, doch meine Vorräte sind aufgebraucht.
Seufzend mache ich mich an die Arbeit. Auf Knien robbe ich über die Lichtung, schneide mit meiner kleinen Sichel die Pflanzen ab und lege sie in meinen Korb. Unter der violetten Blüte schneide ich genug für mich ab, lasse aber gleichzeitig so viel stehen, dass das Kraut leicht nachwachsen kann.
Es dauert nicht lange bis mein Korb voll ist und ich mich auf den Weg zurück ins Dorf mache.
* * *
Als ich im Dorf ankomme, dämmert es bereits und die ersten Leute sind unterwegs. Ich halte mich bedeckt und versuche jene Wege zu nehmen, auf denen sich kaum jemand aufhält. Da meine Hütte etwas abgelegen am Rande des Dorfes liegt, kommen nur selten andere Dorfbewohner vorbei.
Schnell schlüpfe ich durch die Tür und atme durch. Meine Hütte ist klein und heruntergekommen, aber wenigstens war sie billig und ich habe ein Dach über dem Kopf. Ich wohne jetzt schon ein paar Monate hier und war damals sehr erleichtert, dass niemand sonst diese kleine Hütte haben wollte. Ich musste nur ein paar meiner Sachen verkaufen und schon konnte ich in dieses rattenverseuchte, undichte Traumhaus einziehen. Inzwischen habe ich das Dach so weit repariert, dass es nicht mehr allzu stark reinregnet und ich bin, zumindest meistens, allein hier.
Ich stelle den Korb ab und ziehe den Umhang aus. Es riecht hier immer etwas modrig, aber gleichzeitig auch nach all den Kräutern und Ölen, die ich hier verarbeite. Meine Tees und Heilmittel verkaufe ich an einen Händler, der sie weiter unters Volk bringt. Wahrscheinlich würde ich mehr dafür bekommen, wenn ich sie direkt auf dem Markt verkaufe, aber das würde die Leute nur noch misstrauischer machen. Eine Frau, die allein in einer Hütte lebt und dort Tee und Medizin herstellt? Das wäre ein Skandal. Wahrscheinlich würde ich bereits als Hexe verbrannt, wenn sie herausfinden, dass ich lesen kann.
Noch bevor ich anfangen kann, mein gesammeltes Eisenkraut zu waschen, klopft es an der Tür.
Normalerweise kommt niemand hierher, schon gar nicht um diese Zeit. Ich nehme meine Erntesichel in die Hand, denn man sollte lieber immer mit dem Schlimmsten rechnen.
„Ja?“, rufe ich vorsichtig durch die Tür.
Keine Antwort. Das ist verdächtig und löst ein mulmiges Gefühl in mir aus. Mein Herzschlag wird schneller, mein Atem unruhiger, meine Augen fliegen durch den Raum. Der einzige Fluchtweg wäre durch ein Fenster, aber das könnte man leicht vorhersehen und mich abfangen.
Wieder klopft es und ich halte den Atem an.
„Athanasia! Bist du da?“
Ich atme auf und öffne erleichtert die Tür, auch wenn das mulmige Gefühl nicht ganz verschwindet. Vor mir steht ein etwa dreißigjähriger Mann mit dunklen Haaren und braunen Augen. „Erschreck mich nicht so, Ben“, ich schüttle den Kopf, „was willst du um diese Zeit hier? Ich habe die Öle erst morgen fertig.“
„Darum geht es nicht. Du musst verschwinden!“ flüstert Ben und schaut hinter sich, als würde er verfolgt. Ich seufze. Es ist nicht das erste Mal, dass Ben so etwas sagt. Regelmäßig hat er Angst, dass herauskommt, woher er seine Ware hat und kommt zu solch unsittlichen Zeiten vorbei, um mich zu warnen.
„Was ist denn diesmal los? Hat wieder jemand gefragt, woraus der Tee ist, und du wusstest es nicht? Oder war es wieder nur dein Gefühl?“ „Hör auf damit! Dieses Mal ist es ernst, jemand hat direkt nach dir gefragt.“
Ich erstarre. Das ist schlimm. Niemand kann wissen, woher Ben seine Ware bekommt und schon gar nicht, dass ich ihn beliefere. Hat uns jemand beobachtet? „Wer?“
Der Baum neben uns scheint ihn plötzlich viel mehr zu interessieren als meine Frage und er tritt unsicher einen Schritt von mir zurück. „Sag mir, wer es war, Ben, bitte!“
„Der Bürgermeister“, wirft er ein und tritt noch einen Schritt zurück.
Ich starre ihn an, warte darauf, dass er noch etwas sagt. Aber er schweigt, und so muss ich ihm die wichtige Frage stellen. „Was hast du ihm gesagt?“ „Tut mir leid, ich will damit nichts zu tun haben. Ich habe eine Familie.“ Seine Augen sind voller Angst und ich habe kurz Mitleid mit ihm. Hexen werden hingerichtet, im schlimmsten Fall lebendig verbrannt. Aber die Menschen, die ihnen helfen, werden gereinigt und das ist grausame Folter. Aber ich bin keine Hexe und er hat mich verraten. „Was hast du ihm gesagt?“, frage ich wieder, nun wütend. „Sie werden bei Sonnenaufgang hier sein. Leb wohl.“
Scheiße. Riesengroße Scheiße. Ich sehe Ben noch eine Weile nach, dann knalle ich die Tür zu. Der Sonnenaufgang ist viel näher als mir lieb ist.
Panisch beginne ich meine wichtigsten Sachen zu packen. Klamotten, Geld, Kräuter ... Brauche ich wirklich meine Kräuter? Verdammt, die Zeit läuft mir davon. Ich packe alles in eine Tasche und schnappe mir meinen Umhang. Schnell nehme ich meinen Gürtel und befestige daran meine Sichel und einen kleinen Dolch, mehr Waffen habe ich nicht. Und selbst diese Dinger sehen im Vergleich zu echten Schwertern eher wie Spielzeug aus.
Meine Hand ist schon an der Tür, als ich zögere und mich noch einmal in meiner Hütte umschaue. Ich habe mir hier in den letzten Monaten ein Leben aufgebaut. Kein besonders gutes, aber ich war zufrieden. Und jetzt soll ich das alles aufgeben, nur weil Ben seinen Mund nicht halten kann. Ich hätte hier nie jemandem vertrauen dürfen. Aber eigentlich war es auch egal, was Ben gesagt oder nicht gesagt hat. Wenn der Bürgermeister konkret nach mir gefragt hat, dann hat er sowieso schon gewusst, dass ich es bin. Ich schließe die Augen, atme noch einmal tief durch und lasse mein Leben hier zurück.
* * *
Leider kam ich nicht weit. Bewaffnete Männer haben mich keine zehn Minuten später geschnappt. Gleich stehe ich vor einem Gericht. Einem Gericht voller Menschen, die mich ohnehin für eine Hexe halten und nun glauben, den Beweis gefunden zu haben. Meine Hände sind auf dem Rücken gefesselt, sie haben mich ausgezogen und sogar meine Haare abgeschnitten. Noch sitze ich in einer Zelle unter dem Rathaus, aber ich weiß, wie es weitergeht. Bisher habe ich krampfhaft versucht, ruhig zu bleiben, aber warum eigentlich? Was bringt mir das? Ich ziehe die Beine an und wippe leicht hin und her. Niemand wird mir helfen, ich bin allein. Ich sitze allein und nackt in einer Zelle. Aus meinem Mund kommt ein hysterisches Kichern. Es wird lauter, ich beginne zu lachen. Kein schönes Lachen. Ein bitteres, panisches Lachen. Tränen laufen mir übers Gesicht und ich wiege mich hin und her.
„Halt deine verdammte Fresse, du dreckige Hure“, spuckt mir ein Wächter entgegen, der mich wahrscheinlich abholen kommt.
Ich verstumme schlagartig und verkrieche mich in der hintersten Ecke der Zelle. Er kommt und packt mich grob am Arm. Ich versuche, mich von ihm loszureißen, aber er zerrt mich einfach auf die Beine. Ich werfe mich gegen ihn, aber sein Griff an meinem Arm ist wie eine Schraubzwinge. Er zieht mich hinaus auf den Platz vor dem Rathaus. Ich blinzle gegen das grelle Licht und sehe mich um. Um einen Pfahl in der Mitte des Platzes ist ein Scheiterhaufen errichtet. Wie einladend.
Eine Menschenmenge hat sich gebildet, einige Gesichter erkenne ich wieder, andere kommen mir völlig fremd vor. Aber eines scheinen sie alle gemeinsam zu haben, sie hassen mich. Ich zittere und wünschte, sie hätten mir wenigstens etwas zum Bedecken meines Körpers gelassen.
Meine Ohren dröhnen von all dem Geschrei, aber ich kann hören, wie die Leute mich nennen. Hure, Schlampe und allen voran Hexe. Manche bewerfen mich sogar mit Essensresten. Vielen dieser Menschen habe ich geholfen, auch wenn sie es nicht wissen. Meine Tees haben schon viele Leiden geheilt, meine Heilmittel haben schon etliche Menschen wieder gesund gemacht. Doch jetzt wissen sie, dass ich diese Dinge hergestellt habe, und sie wollen mich nur noch tot sehen. In ihren Augen bin ich ein Monster. Doch sie sind es, die sich an meiner Hinrichtung erfreuen, also wer ist hier das wahre Monster?
Der Wächter rupft mich weiter und wirft mich gegen den Pfahl. Seine groben Hände binden mich daran fest. Ich ziehe an den Fesseln, aber sie geben nicht nach. Mein Blick geht nach oben und für einen Moment sehen der Mann und ich uns in die Augen. Ich halte dem Blick stand, so sehr ich mich auch fürchte. Den Schlag sehe ich nicht kommen. Seine Rückhand trifft mein Gesicht mit voller Wucht und ich kann das Blut in meinem Mund schmecken. Ich werde hier sterben, aber nicht ohne mein Feuer zu verlieren. Das Blut aus meinem Mund spucke ich ihm ins Gesicht. „Scheiße“, flucht er und holt aus, um mir noch eine zu verpassen.
„Das reicht.“
Seine Hand schwebt in der Luft. Ich halte den Atem an und versuche, an ihm vorbeizusehen. Er dreht sich um, nickt und geht davon. Hinter ihm steht der Bürgermeister.
„Ich nehme an, du weißt, warum du hier bist?“
Ich antworte nicht. Zu wissen, warum man mir das antut, käme einem Geständnis gleich. Er schüttelt vorwurfsvoll den Kopf. Seit ich hier wohne, habe ich den Bürgermeister nur ein paar Mal gesehen. Ich weiß nicht einmal seinen Namen. Er ist kein großer Mann, aber eher breit gebaut. Gutes Essen und Geld haben ihre Spuren hinterlassen. Sein Haar ist dünn und schon leicht grau, seine Augen liegen tief und durchbohren mich.
Er schaut mich an, als müsse ich gescholten werden, wie ein Kind, das nicht gehört hat und nun zurechtgewiesen werden muss. Sein Mund verzieht sich enttäuscht. „Und ich dachte, wir wären hier schnell fertig ...“ Wieder schüttelt er den Kopf. „Es wäre einfacher für dich, wenn du gestehen würdest.“
Er entfernt sich ein paar Schritte und erhebt die Stimme: „Meine lieben Leute, wir haben eine Hexe in unseren Reihen gefunden!“ Die vermeintlich lieben Leute atmen schockiert auf, einige schreien sogar. Als wären sie nicht extra deswegen hergekommen ... Ich sehe mich um, der Platz ist inzwischen von Menschen umringt. Kein Durchkommen. Mein Herz schlägt schneller und trotz der kühlen Frühlingsluft wird mir heiß.
„Dank eurer Hilfe konnten wir sie entlarven und nun wird diese Hure der schwarzen Magie ihre gerechte Strafe erhalten!“
Die Menge brüllt und der Bürgermeister wendet sich mit einem Lächeln auf den Lippen an mich. „Gestehe und du erleidest den Tod durch das Schwert, verleugne deine böse Natur und das Feuer wird dich nehmen.“
Es gibt keinen Ausweg. Ich werde hier sterben. So schnell endet also mein Leben in diesem Dorf. Ich habe es nur noch selbst in der Hand, wie ich gehe. Alles in mir will verneinen, will leugnen, dass ich eine Hexe bin. Ich habe nie mit Magie zu tun gehabt, geschweige denn mit dunklen Kräften.
Mein Vergehen ist es, dass ich für eine Frau zu viel weiß. Meinem Verstand ist klar, dass es keinen Unterschied mehr macht und dass der Tod durch Feuer unerträglich ist. Dennoch versuche ich es.
„Ich habe die Waren hergestellt, die Tees, die Öle, die Tränke. Ich kenne die Pflanzen des Waldes und ihre Wirkung. Das ist alles.“
„Du leugnest es also?“
„Was leugne ich?“
„Eine Hexe zu sein!“ schnaubt der Bürgermeister wütend.
Ich weiß, ich sollte es jetzt einfach zugeben, um einen leichten Tod zu erhalten, aber ich kann nicht sterben, ohne eine Verteidigung wenigstens versucht zu haben.
„Ich bin keine Hexe!“, sage ich laut und versuche, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken.
Die Menge wird laut mit Empörung. So viel zu meinem Versuch. „Theo, mein Tee hat deiner Frau geholfen, besser zu schlafen. Meine Salbe hat dir, Britta, mit deinem Bein geholfen. Ihr alle habt von meinem Wissen profitiert, warum sollte ich eine Hexe sein, wenn ich euch helfe?“ stoße ich verzweifelt hervor. Doch in den Augen der Menschen sehe ich nur Abscheu und Ekel. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich blinzle sie weg.
Mein Blick fällt auf den Bürgermeister, den Mann, der mein Leben in seinen Händen hält.
„Eure Tochter lag im Sterben und meine Medizin hat sie gerettet!“, meine Stimme wird schrill, „Ihr wusstet nur nicht, dass sie von mir kam, aber ihr verdankt mir alles!“
Seine Faust trifft mich direkt am Wangenknochen und der Schmerz nimmt mir die Luft zum Atmen. Mein Kopf wird von der Wucht zur Seite geschleudert und prallt gegen den Pfahl. Mein Schädel dröhnt, meine Augen tränen und Blut sammelt sich in meinem Mund. Meine kurzen Haare hängen mir ins Gesicht und meine Sicht verschwimmt.
„Wage es nicht, über meine Tochter zu sprechen!“, schreit mich der Bürgermeister zornig an. Das Dröhnen in meinem Kopf macht es mir schwer zu antworten.
„Zündet die Schlampe an!“
Nein. Nein. Nein. Ich spucke das Blut aus und sehe die Männer mit den Fackeln kommen. Nein! Ich schüttle den Kopf, Panik erfasst mich.
„Nein! Nein! Ich bin keine Hexe!“, schreie ich panisch. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es geht alles zu schnell. Das Holz, auf dem ich stehe, fängt Feuer und ich spüre die Hitze an meinen Füßen.
„Nein! Bitte nicht! Ich gestehe!“, schreie ich panisch, aber es ist zu spät. Ich sehe die Genugtuung in ihren Augen. Das ist es, was sie wollten.
Die Flammen schlagen hoch und die ersten von ihnen lecken an meinen nackten Beinen. Ich habe mich schon öfter verbrannt, aber nur am Finger. Wenn ich das schon als schmerzhaft empfunden habe, geht das hier weit darüber hinaus. Ein unnatürlicher Schrei entfährt mir und ich ziehe am Seil. Der Rauch steigt mir ins Gesicht und ich atme ihn zwischen meinen Schreien ein.
Ich habe gehört, dass man an der Rauchvergiftung stirbt und nicht an den Verbrennungen. Aber egal wie viel Rauch ich einatme, es wird nicht schnell genug gehen, um dem Schmerz zu entkommen. Ich schaue nicht nach unten, aber es fühlt sich an, als würde ich bereits komplett in Flammen stehen. Mein Körper besteht nur noch aus Schmerz.
Und die Leute genießen es. Sie sind zufrieden.
Meine Stimme ist rau und schrill, ich habe keine Kräfte, keine Magie. Aber ich will, dass sie Angst haben.
„Ihr werdet es bereuen! Ich verfluche euch! Eure Kinder werden sterben, eure Felder werden verdorren und die schlimmsten Krankheiten werden euch befallen!“
Ich spüre, wie sich mein Gesichtsfeld verengt, aber der Schmerz hört nicht auf.
„Ihr werdet alle STERBEN!!!“
Ich sehe mich ein letztes Mal um, schaue ihnen in die Augen und erkenne die Angst. Sie wissen nicht, dass ich keine Magie besitze und glauben, dass mein Fluch echt ist.
Meine Sicht verschwimmt und verdunkelt sich. Ist es endlich vorbei? Menschen laufen in Panik auseinander, verschwommene Schatten irren umher.
Eine große, dunkle Gestalt baut sich vor mir auf. Ein Mann. Dunkle Haare, schwarz wahrscheinlich, und ebenso dunkle Augen, mehr kann ich nicht erkennen, bevor die Welt schwarz wird.
„Das war keine Hexe, ihr Narren. Nur eine einfache Frau“, höre ich ihn noch sagen.
Wäre er nur früher da gewesen und nicht erst jetzt, um mir das Letzte zu versauen, was ich tun konnte ...